Schuldruckerei
gestern & heute
Der reformpädagogische Ansatz von Elise und Celéstin Freinet stellt handlungsorientiertes, lebensnahes Lernen durch sinnvolle, schöpferische und zielgerichtete Arbeit in den Mittelpunkt. Dabei erfordert die ganzheitliche Aneignung von Wissen durch tastendes Versuchen (entdeckendes Lernen) den Einsatz entsprechender Mittel und Techniken. Vor diesem Hintergrund begründeten und etablierten das Paar in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Schuldruckerei europaweit als ein zentrales reformpädagogisches Element.

Heutzutage ist die Schuldruckerei eine Seltenheit. Einerseits liegt dies in dem großen zeitlichen und finanziellen Aufwand begründet, mit dem der Aufbau und der Erhalt einer solchen verbunden ist. Andererseits kam es jedoch auch durch die Digitalität zu Veränderungen und zu interessanten Verbindungen.

Die Möglichkeiten einer Schuldruckerei sind vielfältig. Zu beobachten, wie die Kinder bei ihrer anspruchsvollen Arbeit über sich hinauswachsen und zu Meister*innen werden, bestätigt das Konzept dieser Institution mit jedem gedruckten Werk von Neuem. Wir schätzen unser Druckatelier als eine Bereicherung und Ressource und möchten an dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Freinet-Kooperative und die humalios-Stiftung aussprechen, die uns seinerzeit beim Aufbau tatkräftig und finanziell unterstützten.
Pädagogische Bedeutung
Die Arbeit in der Druckerei bietet den Kindern einen Zugang zu den grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben und bildnerisches Gestalten. Aktiv und mit allen Sinnen erfahren sie beim Setzen der Lettern, wie sich Wörter aus Buchstaben zusammensetzen, um sich dann zu Sätzen aneinanderzureihen.
Da Setz- und Druckvorgänge viel Zeit und Konzentration erfordern, wird auch der richtigen Schreibweise der Wörter Aufmerksamkeit geschenkt. Die Ergänzung des textlichen Inhaltes mit Illustrationen im Linol- und Stempeldruck stellt die Kinder vor die Herausforderung, einen Inhalt auch in bildnerischer Sprache bewusst zu formulieren.
Darüber hinaus werden beim Setzen und Drucken der selbst geschriebenen Texte und der buchbinderischen Weiterverarbeitung zu Heften und kleinen Büchern Schlüsselqualifikationen gefördert und erweitert: Alle Arbeitsschritte verlangen Ausdauer, Konzentration und Sorgfalt, schulen manuelle Geschicklichkeit, Kreativität, mehrdimensionales Denken und Planen. Das Arbeiten in einer gemeinsamen Werkstatt funktioniert nach bestimmten Regeln und Ordnungen, was besonders in Gruppenprojekten soziale Kompetenzen entwickelt.
Beim Umgang mit Maschinen und Werkzeugen ist großes Verantwortungs-bewusstsein erforderlich und die Kinder werden für einen sparsamen Umgang mit Papier, Farben und Materialien sensibilisiert.
Kritik- und Kooperationsfähigkeit gehören ebenso zur Arbeit, wie Stolz und Freude über die eigenhändig geschaffenen Werke.

Durch das Formulieren, Festhalten, Vervielfältigen und Verbreiten der eigenen Gedanken lernen die Kinder, ihre Meinung zu äußern und Standpunkte zu beziehen, agieren als selbstständige Persönlichkeiten und nehmen am gesellschaftlichen Leben teil. Wer selbst schreibt und druckt, begegnet anderen Texten mit größerem Interesse und lernt, sich mit dem geschriebenen Wort, egal ob digital oder analog, kritisch auseinander- zusetzen.
Durch den Umgang mit Lettern und Druckpresse wird den Kindern schon früh Wissen über die Geschichte der Schrift, über Sprache, Druck und Illustration vermittelt, um diese als Teil unserer Kultur begreifen und einordnen zu können. Gerade für Kinder, die mit digitalen Medien heranwachsen, erhält das manuelle Drucken eine zusätzliche Bedeutung, indem es als notwendige Etappe in der Entwicklung und der Arbeit mit der heutigen Technik verstanden werden kann. Die Kinder erfahren die Vor- und Nachteile technischer Veränderungen, lernen zu unterscheiden und die verschiedenen Verfahren selbstständig sinnvoll und nützlich einzu- setzen.
Aktivitäten in der Schuldruckerei Riesenklein

Im Alltag unseres Hauses hat die Schuldruckerei einen festen Platz gefunden. Allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen stehen Druckpressen, eine Vielzahl verschiedener Metall- und Holzschriften, sowie alle Materialien und Werkzeuge für Linol- und Stempeldrucktechniken zur Verfügung.
Die Werkstatt wird an drei Tagen der Woche durch eine diplomierte Künstlerin besetzt und die Kinder können so, eingegliedert in ihren regulären Lernalltag, an ihren Texten arbeiten.
Gedruckt werden Lernmaterialien und Wörterbücher für den Fremdsprachenunterricht. Als Gemeinschaftsarbeit aller Schulanfänger*innen entsteht im Laufe des ersten Schuljahres ein Buchstabenbuch. Parallel zum Lesen- und Schreibenlernen erhalten die Kinder so die Möglichkeit, Buchstaben und Wörtern beim Drucken auf einer aktiven und sinnlichen Ebene zu begegnen und werden Schritt für Schritt an die Arbeit in der Druckerei herangeführt.
Im Alltag nutzen die Kinder ihre Druckwerke, um sich in Form von Plakaten anderen mitzuteilen. Wenn möglich erscheint eine hauseigene Zeitung mit Artikeln und Druckarbeiten aus unserem Bildungshaus. In den Ferienangeboten oder Projektwochen wird gemeinsam an eigenständigen Themen gearbeitet.
Und nicht zuletzt entdecken auch die Kinder des KinderGartens die Druckerei Stück für Stück als Betätigungsfeld, indem sie erste Erfahrungen beim Umgang mit Buchstaben und Druckfarben sammeln.

„Am Anfang jeder Eroberung steht nicht das abstrakte Wissen, sondern die Erfahrung, die Übung und die Arbeit.“
(Celéstin Freinet)
„Den Kindern das Wort geben“
(Celéstin Freinet)
„Mit jedem Wort wachsen wir.“
(Christian Morgenstern)
Lernraum Schuldruckerei
Nach vorheriger Anmeldung bieten wir in unserer Druckerei einen Workshop an.
Weitere Informationen zum Inhalt und zur Organisation kann man hier herunterladen.
Anmeldung: